"Wohlig sein reicht nicht!"

Prof. Dr. Heribert Prantl (München) sprach beim Neujahrsempfang des Kirchenkreises vor einem begeisterten Publikum über Christen und das Grundgesetz.

Ein runder Abend, mit einem hochinteressanten, sehr dichten und anregenden Vortrag – das Urteil der Gäste des Neujahrsempfangs in der CityKirche Elberfeld fiel einhellig aus. „Von Hoffnung und Glauben in schwierigen Zeiten. Was hat uns Christen das Grundgesetz zu sagen“ – zu diesem Thema sprach Prof. Dr. Heribert Prantl (Süddeutsche Zeitung).

Blick über den Kirchturm

Zu Beginn des neuen Kirchenjahres hatte die Evangelische Kirche zum traditionellen Blick über den Kirchturm hinaus in die CityKirche Elberfeld eingeladen: Rund 170 Menschen aus Stadt, Gesellschaft, Politik, den Gemeinden und den benachbarten Religionsgemeinschaften waren der Einladung von Superintendentin Ilka Federschmidt gefolgt.

Durch den Abend führte Pfarrer Werner Jacken, musikalisch begleitet wurde der Empfang von Kirchenmusikdirektor Jens-Peter Enk (Flügel) und Gudrun Mildner (Querflöte)

Thematischer Rundumschlag

Der Vortrag des Autoren und Juristen Prantl war ein thematischer Rundumschlag und lieferte entsprechend viel Input für lang anhaltende Gespräche im Anschluss.

Da ging es um Demokratie, die Gleichberechtigung von Frau und Mann, die Rehabilitierung des Heiligen Josefs als „Held des Alltags“ und um eine kritische Auseinandersetzung mit den Anforderungen an den Menschen in der modernen Arbeitswelt.

Viel zustimmendes Kopfnicken erntete Heribert Prantl unter anderem mit seiner Kritik an der Leistungsgesellschaft. „Die Stärke eines Volkes muss sich an dem Wohl des Schwächsten orientieren“, so Prantls Appell mit Blick auf die Schweizer Verfassung.

In diesem Zusammenhang bezog er sich auch auf das „christliche Grundgesetz“ und das Gleichnis nach Matthäus „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“

An Exklusion gewöhnt

„Die Gesellschaft hat sich an Exklusion gewöhnt“, so Prantl mit Blick auf Hartz IV und die Abschiebungen von Flüchtlingen. Begleitet von teils zynischen Anekdoten sprang er dann von der Obdachlosigkeit thematisch weiter zur Situation in den Alten- und Pflegeheimen.

„Der Respekt alten Menschen gegenüber ist genauso wichtig wie der Respekt Kindern gegenüber“, so der Autor.

„Wohlig sein reicht nicht“

„Das Grundgesetzt wartet auf seine Erfüllung genauso wie das Reich Gottes“, sagte Prantl. In diesem Zusammenhang würden christliche Werte hochgehalten und die Kirche sei ein „Hoffnungsort“, so der bekennende Katholik am Ende seines 60-minütigen Vortrags.

Die Gesellschaft müsse offen sein für das Fremde. Und Christentum, Judentum und Islam müssten Gott gemeinsam finden. Aber: „Wohlig sein alleine reicht nicht“, schloss Prantl am Ende.

Foto: Tim Polick

Text: Nikola Dünow

Das Manuskript des Vortrags kann über das Öffentlichkeitsreferat angefragt werden: news@evangelisch-wuppertal.de

Impressionen vom Abend in unserem FOTOALBUM Zum Neujahrsempfang-FOTOALBUM-2019... Westdeutsche Zeitung vom 07.12.2019

Evangelische Kirche

Die Jungfrauengeburt als Revolution

Heribert Prantl sprach beim Neujahrsempfang der Evangelischen Kirche über Gleichheit.

WZ-Artikel von Eike Rüdebusch (07.12.2019)

Dass Heribert Prantl spielend und erheiternd Welten miteinander verbinden kann, war schon in der Begrüßung klar: „Liebe Freundinnen und Freunde des Grundgesetzes, des Rechtsstaates und der Demokratie, liebe Gläubige, Ungläubige, Halbgläubige“, sagte er am Donnerstagabend in der City-Kirche am Kirchplatz zum Start seines Impulsvortrages. Er war Gastredner beim Neujahrsempfang der Evangelischen Kirche.

Prantl war Ressortleiter Innenpolitik bei der Süddeutschen Zeitung, außerdem Mitglied der Chefredaktion. Er ist ausgebildeter Jurist und Ehrendoktor der Theologie. Der evangelischen Theologie. Als Katholik.

Und am Rednerpult brachte er alles zusammen. Es ging um Gleichberechtigung, Gleichheit in Kirche, Gesellschaft und Staat. Es ging um das Grundgesetz und Weihnachten.

Er erzählte von Elisabeth Selbert, die sich als eine der Mütter des Grundgesetzes für den Gleichberechtigungsartikel eingesetzt hatte. Wie sie das durchgesetzt habe? „Sie würde sagen: Im Nerven bin ich gut“, sagte Prantl. Aber danach passierte erst einmal nichts – bis es zehn Jahre danach ein Gesetz zur Durchsetzung der Gleichberechtigung gegeben habe. „Die Lehre: Demokratie und Grundrechte fallen nicht vom Himmel. Das muss man lernen. Immer wieder. Das ist ein Lebensprinzip. Und die Kirche gehört zum Leben.“

Und so zog Prantl die Parallele zur Weihnachtsgeschichte. Denn die sei ein Beispiel für das, was das Grundgesetz fordere. „Die Legende von der Jungfrauengeburt legt die Axt an das Stammbaumdenken, an die Machtstrukturen“, an das Patriarchat, so Prantl. Es sei ein Beispiel für moderne Familienstrukturen und ein Trost für alle, die in komplexeren Familien lebten. Sie verweise auf die Frage danach, wer der bessere Vater sei: „Der, der zeugt, oder der, der wickelt?“.

Prantl nennt die Weihnachtsgeschichte einen revolutionären Akt, der die klassischen Machtstrukturen infrage gestellt habe. Er nennt Josef einen Antityp zum klassischen Männerbild. „Es bräuchte einer Vermehrung der Josefs, dann wäre die Welt menschlicher.“

Aber die Machtstrukturen hätten sich die Geschichte wieder zu eigen gemacht. Aus dem weiblichen Schöpfungsakt eine Begründung für rigide Sexualmoral gemacht.

Prantl zog weiter durch die Bibel und das Grundgesetz, kritisierte den Kapitalismus, den Umgang mit den Schwachen, die Ausgrenzung von Fremden und Armen. Er lieferte Erhellendes unterhaltsam – mit sehr menschlicher, christlicher Perspektive. Wie gewohnt aus den SZ-Texten.