"Armut ist bei Frauen viel versteckter"

Armut ist häufig weiblich. Betroffene Frauen kämpfen mit ganz anderen Problemen als Männer und brauchen darum eine besondere Unterstützung. Cornelia Lieto von der Diakonie berichtet.

Armut ist häufig weiblich. Betroffene Frauen kämpfen mit ganz anderen Problemen als Männer und brauchen darum eine besondere Unterstützung. Diese Erfahrung hat die Soziale Teilhabe bei der Diakonie Wuppertal gemacht und reagiert.

Mit der Frauen-Beratungsstelle und dem Hopster-Fiala-Haus gibt es bereits Angebote speziell für Frauen – weitere sind in Planung. Außerdem bietet die Diakonie ein Arbeitsprojekt nur für Frauen an, um sie zu stärken und vor Armut zu bewahren.

„Wir haben uns schon an vielen Stellen auf den Weg gemacht, um die Frauen aufzufangen und besonders zu stärken“, sagt Cornelia Lieto, Bereichsleitung Gefährdetenhilfe. Ein Beispiel ist die frauenspezifische Fachberatungsstelle in der Deweerthstraße. „Die Beratung ist von Frauen für Frauen“, so Lieto. „Dort können die Betroffenen ganz offen über ihre Probleme sprechen.“

Der Bedarf an Angeboten für Frauen wächst

Der Bedarf nimmt stetig zu: In den vergangenen zehn Jahren haben sich Beratungsanfragen verdoppelt. 2008 wurden 212 Frauen beraten, 2018 waren es schon 484. Auch die Zahl der Übernachtungen ist angestiegen. 2010 übernachteten 81 Frauen 1 905 Nächte bei der Diakonie. In 2018 nutzten 116 Frauen für insgesamt 4545 Nächte das Angebot.

Frauen, die in die Beratungsstelle kommen, haben Beziehungsprobleme, Wohnungsnöte oder leben in prekären Wohnverhältnissen, so Lieto. Häufig kommen die Frauen erst dann, wenn es fast schon zu spät ist.

Laut Cornelia Lieto liegt das daran, dass sie länger versuchen, den Schein zu wahren. „Frauen setzen zum Beispiel alles daran, weiterhin gepflegt auszusehen, auch wenn sie schon lange große Probleme haben oder bereits auf der Straße leben. Nur, damit sie nicht auffallen. Armut und Obdachlosigkeit ist bei Frauen viel versteckter als bei Männern.“

Frauen leben in Abhängigkeiten

Viele der Frauen leben in prekären Beziehungen und Abhängigkeiten. Sie sind nur ‚MitWohnende‘, die keinen eigenen Mietvertrag unterschreiben haben und oft nur ‚geduldet‘ werden. Ihre Übernachtungsmöglichkeiten können jederzeit wegfallen.

Im Hopster-Fiala-Haus an der Deweerthstraße leben zwölf Frauen in Einzelzimmern. Bad und Küche werden geteilt. „Die Notschlafstelle ist immer voll. Häufig müssen wir zusätzliche Not-Betten aufstellen“, so Lieto.

Frauenarmut Betroffen

In Deutschland sind mehr Frauen von Armut bedroht als Männer. Nach Angaben des Europäischen Statistikamtes waren 2017 rund 7, 1 Mio. Frauen und 6, 1 Mio. Männer armutsgefährdet. Als armutsgefährdet gelten Personen mit weniger als 60 % des mittleren Einkommens. Gründe

Frauen kümmern sich häufig unentgeltlich um die Kinder, pflegen Angehörige und engagieren sich ehrenamtlich. Auch die Rückkehrchancen in den Beruf nach der Elternzeit sind häufig schlechter. Frauen verdienen weniger als Männer, folglich sind Frauen besonders häufig von Altersarmut bedroht. Zahlen

17, 8 % der Frauen, die arbeiten, sind trotzdem von Armut betroffen. 32, 5 % aller Alleinerziehenden sind von Armut betroffen; 40 % der Alleinerziehenden leben mit Hartz IV (Schattenbericht der Nationalen Armutskonferenz ‚nak‘). Auch die Stadt hat erkannt, dass auf die Zunahme der Armut von Frauen reagiert werden muss: An der Grundstraße in Oberbarmen wurden zwei Wohnungen für Frauen angemietet. Dort bietet die Diakonie für vier Betroffene Ambulant Betreutes Wohnen an.

„Die Notschlafstelle ist immer voll. Häufig müssen wir zusätzliche Not-Betten aufstellen.“

Ein weiteres großes Problem: Etwa die Hälfte der Frauen hat Kinder. „Frauen mit Kindern halten sehr viel Gewalt aus, wenn sie in Abhängigkeit von einem Mann wohnen“, weiß Lieto. Eine Unterbringung in der Notschlafstelle im Hopster-Fiala-Haus für obdachlose Frauen bedeutet eine Trennung von den Kindern. Sie werden gesondert in der Kinderschutzstelle untergebracht.

Deshalb plant die Diakonie, im alten Pfarrhaus an der Ludwigstraße ein ambulantes Wohnangebot für Frauen mit Kindern. Der Bauantrag für den Umbau liegt bereits vor. Dort können sechs Frauen mit ihren Kindern in zwei Wohngemeinschaften ein reguläres Mietverhältnis eingehen und bei Bedarf über das Ambulant Betreute Wohnen professionell begleitet werden.

„Die Notwendigkeit solcher Angebote ist sehr groß“, erklärt Lieto. „Auch mit Unterstützung von Stadt und Diakonie sei es für Frauen sehr schwer Wohnungen zu finden.“

Job & Go ‚Job & Go‘ ist eine maximal dreijährige Arbeitsmaßnahme in Kooperation mit dem Jobcenter der Stadt Wuppertal für bis zu 15 Frauen ab 18 Jahren (Frauen mit und ohne Ausbildung sowie mit Kindern). Angeboten werden drei Einsatzbereiche innerhalb der Diakonie: Sozialer Dienst in der Altenpflege sowie Hauswirtschaft in Kitas und im Altenheim. „Die Frauen werden sehr flexibel und engmaschig betreut“, sagt Projektverantwortlicher Anton Mause. „Teilweise haben sie keinerlei berufliche Vorerfahrungen. Wir vermitteln Basics und leisten berufsbezogene Sprachförderung.“ Vor allem in den Altenheimen seien die Übernahmechancen sehr gut.

Text: Nikola Dünow

Foto: Bettina Osswald

Der Artikel ist bereits im Diakonikus, der Zeitschrift der Diakonie Wuppertal, erschienen.