„Nachvollziehbar, dass der Abend polarisiert“

Antonia Dicken-Begrich, Vorsitzende des Trägervereins Begegnungsstätte Alte Synagoge, moderiert die Veranstaltung „Die Neuausrichtung des Bundesverfassungsschutzes im Kampf gegen den Rechtsextremismus“. Ein Interview.

Thomas Haldenwang · Dr. Mehmet Gürcan Daimagüler · Antonia Dicken-Begrich

Die Neuausrichtung des Bundesverfassungsschutzes im Kampf gegen den Rechtsextremismus

27.02.2020, 19 Uhr, CityKirche Elberfeld

Die Veranstaltung mit Haldenwang wurde vorab durchaus kontrovers diskutiert. Warum und wie wurde das Problem gelöst?

Antonia Dicken-Begrich: Haldenwang ist der exponierte Vertreter des Verfassungsschutzes. Die Ausstellung: „Todesopfer rechter Gewalt“ beleuchtet auch den Aspekt, dass der Verfassungsschutz – wie andere staatliche Organe - die Opfer von Rechtsextremismus nicht schützten, dass es vielmehr Verwicklungen, mangelnde Aufklärungsbereitschaft und Vorenthalten von Beweismaterial gab.

Exponierter Vertreter der Opferseite

Daher ist es nachvollziehbar, dass ein Abend mit Haldenwang in diesem thematischen Kontext polarisiert. Aber der Verfassungsschützer sitzt nicht alleine auf dem Podium, sondern gemeinsam mit dem Strafverteidiger Dr. Mehmet Gürcan Daimagüler. Er ist exponierter Vertreter der Opferseite und hat schon zahllose Prozesse bestritten.

Chance zum Diskurs

Wir sehen den Abend als Chance zum Diskurs. Als Chance, Auskunft über die geplante Neuausrichtung des Verfassungsschutzes zu bekommen und als Chance, den Präsidenten des Verfassungsschutzes kritisch zu befragen.

Das wird Dr. Daimagüler tun. Beide Seiten haben für den Abend die Bereitschaft zu einem öffentlichen Dialog gezeigt, das ist ein wichtiger Anfang.

Sensibilität für die Opfer fehlt

Die Ausstellung will doch die Opfer in den Mittelpunkt stellen. Inwiefern kann das mit dem Abend gelingen?

Antonia Dicken-Begrich: Es ist empörend und zutiefst schockierend, dass die Morde in der Öffentlichkeit passiert sind, dass aber die Sensibilität einer breiten Öffentlichkeit für die Opfer weitestgehend gefehlt hat.

Darum zielt die Ausstellung darauf, dass sich die Besucher in die Opfer rechter Gewalt einfühlen und in der Zusammenschau der einzelnen Taten den Hintergrund eines menschenverachtenden, rechtsradikalen Weltbildes erkennen können.

Innerhalb des Rahmenprogramms zur Ausstellung werden mit insgesamt rund 20 Veranstaltungen unterschiedliche Aspekte beleuchtet.

Solidarität für die Opfer

An diesem Abend in der CityKirche geht es um die Verantwortung für die Fehler in der Bekämpfung rechter Gewalt in der Vergangenheit und vor allem um notwendige Veränderungen in diesem Bereich.

Oder wie Dr. Daimagüler es vermutlich formulieren würde: es muss auch eine zivilgesellschaftliche Solidarität für die Opfer geben. Denn rechtsradikale Gewalt bedroht nicht nur einzelne, sondern die ganze Gesellschaft.

Staatliche Verantwortung

Genauso muss es eine staatliche Verantwortung für die Unversehrtheit jedes einzelnen Menschen sowie die Bewahrung des Grundgesetzes geben, dafür steht unter anderem der Verfassungsschutz.

Was ist Ziel der Veranstaltung? Soll der Verfassungsschutz zur Rechenschaft gezogen werden? Geht es dabei auch um Versöhnung?

Antonia Dicken-Begrich: Ziel des Abends ist sicherlich in erster Linie ein kritischer Dialog. Alle, die sich für das Thema interessieren, können sich an dem Abend ihr eigenes Bild machen.

Um Versöhnung kann es nicht gehen

Und es wird auch um die Frage nach der staatlichen Verantwortung, nach der Verantwortung des Verfassungsschutzes für die Todesopfer rechter Gewalt gehen. Aber eine Podiumsdiskussion ist nicht dazu geeignet, jemanden zur Rechenschaft zu ziehen.

Auch um Versöhnung kann es nicht gehen. Da würden wir unsere Rolle als Gastgeber überschätzen. Wir können aber an dem Abend unterschiedliche Standpunkte definieren: Wie wird rechte Gewalt definiert? Was sind ihre Gefahren? Und welche Anforderungen sind an eine Neuausrichtungdes Verfassungsschutzes zu richten?

Das wird sicherlich kontrovers …

Antonia Dicken-Begrich: Davon gehe ich aus. Ich rechne z.B. mit kritischen Fragen nach der geplanten Neuausrichtung der Behörde von Dr. Daimagüler, sowie unterschiedlichen Sichtweisen auf das, was unter rechter Gewalt verstanden wird.

Bestimmt werden kritische Beiträge auch aus dem Publikum kommen, das sich an dem Abend ebenfalls einbringen kann.

Wie bereitet die Evangelische Kirche sich auf angedrohte Proteste vor?

Antonia Dicken-Begrich: Die Evangelische Kirche als Trägerin der Ausstellung und Veranstalterin des Abends setzt auf Dialog.

Relevante gesellschaftliche Kontroverse

Wir bringen eine relevante gesellschaftliche Kontroverse aufs Podium und laden dazu ein, sich ein eigenes Bild zu machen (eine Anmeldung ist zwingend erforderlich unter: Telefon: 0202-563.2843 oder 563.2958, info@alte-synagoge-wuppertal.de).

Den Kritikern an der Veranstaltung sagen wir: Der Abend ist auf die Kontroverse angelegt und nicht etwa eine unwidersprochene Werbung für den Verfassungsschutz, dafür steht schon die Anwesenheit des Opferanwaltes Dr. Daimagüler. Gleichzeitig soll der Abend auch zur Übernahme von Verantwortung anstoßen.

Das Gespräch führte Nikola Dünow