Neuer Leiter des Evangelischen Büros in NRW

Christliche Perspektive in politischen Debatten: Seit dem Jahreswechsel ist Martin Engels der Beauftragte der Evangelischen Kirchen bei Landtag und Landesregierung von NRW. Im Interview erzählt der 43-jährige Theologe, was ihm in den ersten Monaten besonders aufgefallen ist, welche Relevanz Kirche und Diakonie in politischen Debatten haben – und mit welchem Pfund sie in ihrer Lobbyarbeit arbeiten können.

Foto: EKiR/Meike Böschemeyer

Lieber Martin Engels, herzlichen Glückwunsch zu Ihrer neuen beruflichen Aufgabe, die aus Sicht der Diakonie RWL eine ganz besondere ist. Wie geht es Ihnen nach den ersten drei Monaten?

Martin Engels: Politik und Kirche sind ein spannendes Arbeitsgebiet. Als besonders empfinde ich, dass ich sowohl im Bereich der Politik und im Bereich der Kirche vielen Menschen begegne und mit ihnen zusammenarbeite, die Ideen haben und Gesellschaft gestalten wollen. Die sogenannten Stapelkrisen unserer Gegenwart stellen uns vor große gesellschaftliche und politische Herausforderungen. Da ist es gut, dass wir eng mit dem katholischen Büro zusammenarbeiten, unsere Interessen vertreten, aber auch als Ansprechpartner und Seelsorger zur Verfügung stehen. 

Haben Sie eine Art Grundmotivation, in Ihrem Amt für Kirche und Menschen zu streiten und einzustehen?

Martin Engels: Als Beauftragter der Evangelischen Kirche im Rheinland, der Evangelischen Kirche von Westfalen und der Lippischen Landeskirche bei Landtag und Landesregierung von Nordrhein-Westfalen sehe ich es als einen wichtigen Teil meiner Arbeit, die Bedeutung des christlichen Menschenbildes für politische Entscheidungen wach zu halten. Das heißt, ich bin nicht nur als Interessensvertreter für die Institution Kirche unterwegs, sondern auch für die Menschen in unserer Gesellschaft, die keine laute Stimme haben.

Wie blicken Sie auf das Zusammenspiel von Kirche, Diakonie und Politik?

Martin Engels: "Diakonie ist eine Lebens- und Wesensäußerung der Kirche." Diesen Satz habe ich nicht nur theoretisch gelernt, sondern er entspricht auch meinem biografischen Werdegang. Ohne die Erfahrung in einer integrativen Gruppe meiner damaligen Kirchengemeinde und ohne den Zivildienst in der Evangelischen Stiftung Tannenhof hätte ich gewiss nicht Theologie studiert.

Die Diakonie kommt mit ihren vielen Mitarbeitenden in ihren jeweils vielfältigsten Arbeitsgebieten mit Menschen in Kontakt, die es im Leben nicht leicht haben. Ich halte es für wichtig, diese Erfahrungen aufzugreifen und sich anwaltschaftlich für den Nächsten und die Nächste einzusetzen, ihre Bedürfnisse zu artikulieren und Problemlagen anzusprechen.

Ich freue mich darüber, an die gute Zusammenarbeit des gesamten Evangelischen Büros mit den Geschäftsfeldern des Diakonischen Werkes Rheinland-Westfalen-Lippe anknüpfen zu können. Einer meiner ersten Antrittsbesuche hat mich sehr bewusst zur Diakonie geführt. Wir setzen den regelmäßigen Austausch fort, um Ideen und die Zusammenarbeit weiterzuentwickeln.

Was macht für Sie gute Lobbyarbeit aus?

Martin Engels: Gute Lobbyarbeit der Kirche sieht aus meiner Sicht anders aus: Es geht darum, zu zeigen, an wie vielen Orten Kirche und Diakonie unser gesellschaftliches Zusammenleben mitprägen und zusammenhalten. Wenn ich allein daran denke, wie viele Haupt- und Ehrenamtliche unterwegs sind, Bildungs- und Freizeitangebote für Kinder und Jugendliche gestalten, Menschen im Alter pflegen oder Geflüchtete bei der Integration unterstützen. Ich könnte noch viel mehr nennen. Für diese Menschen setzen wir uns ein und natürlich auch dafür, dass die Arbeit, die wir hier stellvertretend für die Gesellschaft tun, auch auskömmlich finanziert wird. Aktuell merken wir an vielen Stellen – wie etwa in der Arbeit in Kindertagesstätten –, dass wir kirchlicherseits die finanzielle Belastungsgrenze mit dem Einsatz der eigenen Mittel immer mehr überschreiten.

Wie schätzen Sie die Relevanz von Kirche und Diakonie als Akteurinnen in politischen Debatten in NRW aktuell ein?

Martin Engels: Mir ist es immer wichtig, dass die Relevanz unserer Arbeit in Kirche und Diakonie sich aus ihrem Auftrag ergibt. Wir sind aufgerufen, die Botschaft von der unbedingten Zuwendung Gottes zu uns Menschen zu verkünden und in der Praxis zu leben. Ich höre in meinen Gesprächen, wie sehr dieser Beitrag der Vertrauenskrise der Kirchen zum Trotz in der Gesellschaft sehr geschätzt wird.

Besonders in diesen politischen unruhigen Zeiten, in denen wir ein Erstarken von rechtsextremen Kräften haben, wird die Fähigkeit wichtig, viele unterschiedliche Menschen auch über die Parteigrenzen hinweg zusammenzubringen. Aktuell heißt das auch, dass wir zusammen mit anderen Verbündeten laut und wehrhaft werden müssen, wenn die Würde von Menschen in unserer Gesellschaft missachtet wird. Daraus folgt, dass wir uns hinter und neben die marginalisierten Menschen stellen, die von menschenverachtender Gewalt betroffen sind.

Haupt- und Ehrenamtliche in Kirche und Diakonie haben selbst auch die Würde anderer Menschen massiv verletzt. Das hat die Ende Januar veröffentlichte ForuM-Studie deutlich gezeigt. Welche Schlüsse ziehen Sie für Ihre Arbeit aus der Studie?

Martin Engels: Das bedeutet für mich, dass wir bei allem, was wir tun, auch kritisch auf unsere eigenen Strukturen gucken und im Licht der ForuM-Studie aufarbeiten, wo Menschen in den Bereichen Kirche und Diakonie Gewalt erfahren haben. Zugleich ist es unsere Aufgabe, Menschen davor zu schützen und sie zu empowern, Missstände wahrzunehmen und anzusprechen. Es muss uns darum gehen, in Kirche und Diakonie eine Haltung zu entwickeln, dass sexualisierte Gewalt keinen Raum bei uns bekommen darf und Betroffene gehört werden. 

Die Fragen stellte Franz Werfel. Foto: EKiR/Meike Böschemeyer